Jeder, der schon einmal eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus aufgesucht hat, kennt es: Bevor eine Behandlung stattfinden kann, stellen Arzt oder Ärztin einige Fragen zum persönlichen Gesundheitszustand. Im Rahmen des sogenannten Anamnesegesprächs werden die medizinischen Patientendaten sowie die bisherige Krankengeschichte dokumentiert. Häufig werden zudem erste medizinische Grunddaten, sogenannte Vitalparameter, wie die Herz- und Atemfrequenz erfasst. Nur so können anschließend weitere Diagnose- und Therapieprozesse sowie eine Verlaufskontrolle erfolgen.
Die Patientenaufnahme hat als Startpunkt jeder medizinischen Behandlung einen entscheidenden Einfluss auf alle nachfolgenden Prozesse und schlussendlich den Behandlungserfolg. Eine korrekte und einheitliche Erfassung aller relevanten Patientendaten ist deshalb enorm wichtig. Aktuell ist für diese wichtigen Prozesse ein großer Zeit- und Personalaufwand nötig und auch die Dokumentation der Daten erfolgt oft uneinheitlich. So kommt es häufig zu Doppelabfragen, Stress beim medizinischen Personal und langen Wartezeiten für Patientinnen und Patienten.
Forscherinnen und Forscher der Abteilung »Klinische Gesundheitstechnologien« des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Mannheim haben sich diesem Problem angenommen. Sie haben sich die Frage gestellt, wie sich das medizinische Personal in Krankenhäusern durch Digitalisierung entlasten lässt und wie die Patientinnen und Patienten gleichzeitig stärker in den Fokus der Prozesse gerückt werden können. Zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Ärztinnen und Ärzten des Universitätsklinikums Mannheim und Expertinnen und Experten anderer Fachrichtungen entwickeln und erproben sie im Test- und Entwicklungszentrum für digitale Patientenaufnahme-Systeme, kurz TEDIAS, automatisierte Systeme, um die Patientenaufnahme effizienter zu gestalten.
Das Ziel von TEDIAS ist es, die Routineprozesse, die bei der medizinischen Aufnahme in eine Klinik durchlaufen werden, so zu automatisieren, dass das Personal entlastet wird, Doppelabfragen vermieden und gleichzeitig qualitativ hochwertige Daten generiert werden, die für die weitere Behandlung, anschließende Verlaufskontrollen und Forschungsarbeiten notwendig sind. Hierfür werden unter anderem integrierte Sensoren zur automatischen Erfassung relevanter Vitalparameter integriert. Alles, was die Patientinnen und Patienten tun müssen, ist, sich auf einen Stuhl zu setzen. In der Zeit, die sie sonst mit warten verbringen würden, können mithilfe von TEDIAS unter anderem die Herztöne, der Blutdruck, die Sauerstoffsättigung des Bluts, die Handkraft sowie die Temperatur der Personen gemessen werden. Parallel erfolgt eine Abfrage der Krankengeschichte sowie der Symptome durch einen virtuellen Arzt oder eine virtuelle Ärztin sowie eine Aufklärung über die anstehende Behandlung. Statt viel Zeit im Wartezimmer zu verbringen, werden die Patientinnen und Patienten also aktiv in den eigentlichen Aufnahmeprozess involviert und das medizinische Personal kann entlastet werden.
Die Auswertung der Daten dauert nur wenige Sekunden und kann den behandelnden Ärztinnen und Ärzten im Vorfeld der Untersuchung aufbereitet elektronisch übermittelt werden. Hierfür ist eine Anbindung an die gängigen Krankenhaussysteme notwendig. Durch eine effizientere Gestaltung der Patientenaufnahme, bleibt mehr Zeit für die eigentliche Untersuchung und Behandlung der Patientinnen und Patienten.
Mit TEDIAS soll eine Grundlage für das digitale Krankenhaus der Zukunft geschaffen werden. Das Test- und Entwicklungszentrum befindet sich auf dem Gelände der Universitätsmedizin Mannheim und bietet sowohl Raum für technische Erprobungen und Weiterentwicklungen als auch für den Test der klinischen Anwendungen in realen Klinikabläufen mit Patientinnen und Patienten. Gefördert wird das Projekt durch das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus.
Eine digitalisierte und automatisierte Patientenaufnahme bietet nicht nur ein enormes Potential für die Verringerung von Wartezeiten für Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Effizienzsteigerung von medizinischen Prozessen.
Eine ansprechend gestaltete Patienteninteraktion, adaptive Fragebögen, integrierte Messtechnik, automatische Datenauswertung und eine Ablage der Daten im Krankenhaus-Informationssystem können zusammenspielen – es wird für eine Einbindung und kontinuierliche Information der Patientinnen und Patienten, eine Verringerung vor Verwaltungs- und Dokumentationstätigkeiten und eine Steigerung der Datenqualität für Forschungszwecke gesorgt. Wichtig dabei ist, dass eine Durchgängigkeit der Daten zwischen den einzelnen Systemen und eine Orchestrierung des gesamten Aufnahmeprozesses besteht.
Dafür schafft TEDIAS ein Framework, in dem diese Komponenten zusammenspielen und einfach ergänzt oder ersetzt werden können. Dadurch werden die idealen Voraussetzungen geschaffen, innovative Digitalisierungslösungen und Messtechnik für den Gesundheitssektor in einem integrierten Setting im Klinikum zu entwickeln und zu validieren. Das TEDIAS Konsortium bietet dafür ein interdisziplinäres Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Entwicklerinnen und Entwicklern.