Stellen Sie sich vor, Sie müssen mit einer Stricknadel ein erbsengroßes Ziel treffen und dieses Ziel befindet sich mehr als handbreit tief in einem undurchsichtigen Körper. Bekannt sind Ihnen die Einstichstelle, der Winkel und die Tiefe des Einstichs, die Durchführung erfolgt aber manuell. Sie benötigen also einiges an Geschick, um gleich beim ersten Mal zu treffen – vor einer ähnlichen Herausforderung stehen Ärztinnen und Ärzte jeden Tag, wenn sie Biopsien durchführen.
Das Punktieren von Organen wie der Leber oder der Niere für eine Biopsie ist klinischer Alltag. Bei einer solchen Biopsie sticht eine Ärztin oder ein Arzt eine Nadel ein, um eine Gewebsprobe im Körper einer zu behandelnden Person zu entnehmen. Diese Probe wird dann im Nachgang analysiert und kann Aufschluss über das Gewebe geben. Bei der Suche nach der korrekten Diagnose kann dies den entscheidenden Hinweis geben. Dank moderner Technik wie der Computertomographie oder dem Kernspintomographen sind wir heute in der Lage, Veränderungen im Gewebe, die gerade einmal 1 cm groß sind, visuell zu erkennen – unbekannt ist dann aber dennoch, ob sie gut- oder bösartig sind. Da diese „Läsionen“ jedoch nicht selten in der Tiefe des Körpers liegen, erfordert es einiges an Übung, um ein solch kleines Ziel zu treffen und eine Probe zu entnehmen. Mittels bildgebender Verfahren, wie dem Röntgen, wird deshalb überprüft, ob die richtige Stelle getroffen wurde und gegebenenfalls die Position der Nadel immer wieder korrigiert. Mitunter ist dies notwendig, schädigt aber die Patientin oder den Patienten durch Verletzungen im Gewebe und die zusätzliche Strahlenbelastung. Außerdem verlängert sich die Dauer des Eingriffs, was bei narkotisierten Patientinnen und Patienten das Risiko von Komplikationen erhöht, Behandlungsräume länger als nötig auslastet und somit höhere Kosten verursacht.
Hier setzt guidoo an: Der Roboterarm führt, basierend auf einer vorherigen Planung, eine Nadelhülse zur Einstichstelle und bietet somit eine Führung für die Biopsienadel. Ärztinnen und Ärzte stechen die Biopsienadel durch diese Hülse hindurch ein. So können sie sich auf die präzise Einstichtiefe konzentrieren, während Positionierung und Angulierung der Nadel durch den Roboter unterstützt werden. Die Trefferquote wird so erhöht und wiederholtes Einstechen sowie übermäßig viele Kontrollscans werden vermieden. Somit werden nicht nur Patientinnen und Patienten geschont, sondern auch die Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit des Verfahrens gesteigert: Dies führt zu einer „Economy by Speed“.
guidoo ist das Resultat aus kontinuierlicher Forschung und Entwicklung in einer Folge von Projekten: dem EU-Projekt „MITIGATE“, dem Forschungscampus „M²OLIE“, eines Projekts des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) und zuletzt eines Projekts gefördert vom EU-Netzwerk DIH-HERO. Über den Projektverlauf kooperieren die BEC GmbH, die Universitätsmedizin Mannheim, das Institute of Image-Guided Surgery in Straßburg, das Fraunhofer IGD, sowie das Fraunhofer IPA mit seiner Abteilung »Klinische Gesundheitstechnologien«. Zunächst wurden im Rahmen einer Co-Creation die Soft- und Hardware entwickelt, um dann in präklinischen und klinischen Studien an Phantomen und beim tatsächlichen Eingriff am Menschen die Usability sowie Zeit- und Präzisionsvorteile des Systems zu überprüfen. Diese Studie dauert derzeit noch an und soll letztendlich die Marktreife von guidoo bestätigen. Parallel werden weitere Entwicklungen und Schlüsselexperimente mit guidoo vorbereitet, um sein Anwendungsportfolio zu erweitern und ihn für weitere nadelbasierte Eingriffe zu qualifizieren.